Demokratie
Das WG West fördert Demokratiebildung durch vielfältige Projekte und Veranstaltungen, in denen Schüler:innen sich mit demokratischen Werten, politischer Teilhabe und gesellschaftlicher Verantwortung auseinandersetzen. Dabei stehen sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Erfahrungen, wie Exkursionen und Austauschformate, im Mittelpunkt.
Eine Reise zur Wiege der Demokratie (Athen, Juni 2025)
„Wir haben unseren eigenen Mythos erstellt. Der Mythos ist Glaube, eine Passion. Aber er braucht nicht der Realität entsprechen. […] Diesem Mythos ordnen wir alles unter.“
Benito Mussolini, Neapel 1922
Wenn man dieses Zitat aus dem Vorkriegs-Italien heute liest, das nur knapp älter als 100 Jahre alt ist, wundert man sich vielleicht etwas weniger über die kuriosen politischen Zeiten, in denen wir leben. Damals wie heute ist die Demokratie in Gefahr und opportunistische Stimmungsmacher versuchen durch eine imaginierte Wirklichkeit Wähler zu verwirren und politische Systeme einzuführen, von der immer nur eine Minderheit profitiert.
In der ersten Juniwoche hatten unsere SchülerInnen des Global Studies I – Kurses aus den Eingangsklassen die Möglichkeit, in Athen, dem Geburtsort der europäischen Demokratie, die Entstehung sowie die Möglichkeiten zum Erhalt einer Volksherrschaft zu diskutieren und sich mit griechischen SchülerInnen vor Ort über gegenwärtige Gefahren auszutauschen.
Auch Propaganda, die eine mythische, parallele Realität zur Rechtfertigung der eigenen Interessen herstellen und damit Macht erhalten sollte, ist nichts Neues. Die Justiz, die Wissenschaft und akademische Eliten waren schon immer Angriffsziele dieser Umbruchsversuche – neu ist die nur die Ausweiterung auf Institutionen wie die Sozialen Medien, die gespeist werden von verhängnisvollen Eigenmeinungs-Infusionen extremer Gruppierungen.
Das Regierungssystem der Demokratie hatte seine Ursprünge im alten Athen und bis heute erweisen sich die Warnungen von Philosophen wie Sokrates und Platon als erschreckend aktuell. Bereits vor fast 2.500 Jahren wies Sokrates darauf hin, dass ein tolerantes System wie das der Volksherrschaft prädestiniert sei für die Ausbeutung durch Demagogen und ihrer falschen Versprechen. Die Gefahr bleibt immer präsent durch die Gewährung der Redefreiheit, die die Verbreitung von Lügen ermöglichen muss, in der Hoffnung, dass sich die Wahrheit durchsetzt. Platon warnte davor, dass auch soziale Ungerechtigkeiten die Demokratie untergraben und autoritäre Systeme befördern können, die versuchen, dem Volk einfache und schnelle Lösungen zu verkaufen. Auch er vertraute wenig auf die Massen, die die Tragweite ihrer Entscheidungen oft nicht überblicken könnten.
Die Gefahren, denen die Herrschaft des Volkes damals, im alten Griechenland, wie auch heute ausgesetzt waren und sind, unterscheiden sich trotz der vergangenen Jahrtausende wenig. Unsere SchülerInnen sahen für die Kritikpunkte an der Demokratie die gleiche Lösung: mehr Bildung für alle, um der Gefahr entgegenzuwirken, die einem demokratischem System immer innewohnt: der, dass uninformierte Massen an Wahlprozessen beteiligt werden und gegen ihre eigenen Interessen stimmen. Die Notwendigkeit von umfassender Bildung und der Fokus auf Vernunft und Rationalität wurden als alternativlose Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie festgelegt.
Unsere SchülerInnen reflektierten gemeinsam, gegen welche Hindernisse wir heute den europäischen Gedanken der Demokratie verteidigen müssen. Eindeutig wurden, außer einem Mangel an Bildung, Hab- und Machtgier, toxische Männlichkeit, aber auch strukturelle Mängel, die Menschen in die Armut treiben, als Bedrohungen identifiziert. Sie sahen, dass es immer der „Ich! Ich! Ich!“-Gedanke ist, der die Demokratie aushöhlt und der in unserer Welt zu Krisen und Kriegen führt. Und so wird im steten Streben gegen die dunklen Seiten der menschlichen Natur, im Kampf gegen den Egoismus und im Fokus auf das bewusste Tragen von Verantwortung für alle der nie endende Prozess deutlich, an dem wir uns alle gemeinsam beteiligen müssen. Sie hielten fest, dass wir uns nur zusammen gegen die herbeigeschworene Un-Realität von (Möchtegern-) Autokraten stemmen können, um gemeinsam in der Wahrheit, der Gleichheit und der Gerechtigkeit zu leben.
Text und Bilder: Elfi Kosmadopoulou
Palästina-Gesprächsrunde
Im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas auf Israel und der Reaktion der israelischen Armee auf diesen Angriff kam es an unserer Schule, insbesondere im Gemeinschaftskundeunterricht, immer wieder zu antisemitischen und muslimfeindlichen Reaktionen und zu Äußerungen, die oft nicht faktenbasiert waren.
Als Reaktion darauf haben unsere Gemeinschaftskundelehrkräfte vereinbart, einen Gesprächskreis zu dem Konflikt einzuführen. Bei diesen Gesprächen sollte es einerseits darum gehen, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen und andererseits darum, dass alle Beteiligten miteinander im Gespräch bleiben bzw. miteinander ins Gespräch kommen.
Der Gesprächskreis fand über mehrere Monate statt, in der Regel nahmen 10-25 Lernende teil; geleitet und moderiert wurde die Runde von unseren drei Lehrkräften Tobias Kölblin, David Voullaire und Wladimir Fridman.
Im nachfolgenden Video berichten unsere Lehrkräfte über ihre Erfahrungen.
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Im folgenden Video reden zwei Schülerinnen im Rahmen des Palästina-Gesprächskreises miteinander.
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Podiumsdiskussion am WG West (17. April 2024)
Am 17.04.2024 fand am WG West die lang vorbereitete Podiumsdiskussion statt. Sie diente den Schülerinnen und Schülern als Entscheidungshilfe und politische Aufklärung für die anstehende Kommunalwahl. Folgende Politiker fanden sich auf dem Podium ein: Marcel Roth (B’90/Die Grünen), Lucia Schanbacher (SPD), Dr. Joachim Wolf (Freie Wähler), Doris Höh (FDP), Leonard Rzymann (CDU) und Frank Ebel (AfD).
Als erstes gab es via QR-Code eine anonyme Abstimmung für die Schüler*innen, welche der Parteien sie wählen würden. Zwar gingen einige Stimmen schon an einzelne Parteien, doch der Großteil hatte zunächst für die Option ‘Keine Ahnung’ gestimmt. Am Ende sollte die gleiche Umfrage erneut durchgeführt werden.
Der erste Programmpunkt war das Thema Wohnraum und Soziales. Den Wohnraum lieber verdichten oder neuen bauen? Das war die erste Frage für die Politiker*innen. Die Antworten waren eine ausgewogene Mischung aus Verdichten und Bauen, wobei Herr Roth und vor allem Frau Schanbacher immer wieder betont hatten, dass der Wohnraum auch bezahlbar werden muss.
Der Themenunterpunkt Soziales stellte die Frage danach, ob die Tafel von der Stadt finanziert werden sollte. Keiner der Politiker war dagegen und man war sich einig, dass es viel schöner wäre, wenn man die Tafel gar nicht erst so stark beanspruchen müsste.
Weiter ging es mit dem eher hitzig diskutierten Thema Migration und Integration. Hier war die erste Frage, ob es mehr Förderung für Migrant*innen geben soll vor allem in Bezug auf Chancengleichheit in der Schule. Hier war man sich ebenso einig, dass die Sprache eine große Barriere darstellt und man schon vor Schuleintritt in Sprachkurse investieren sollte, damit alle Kinder auf dem gleichen Niveau beginnen.
Die nächste Frage war genauso spannend, es ging nämlich darum, ob es einen Aufnahmestopp geben und Stuttgart keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen sollte. Lediglich CDU und AfD waren dafür, woraufhin Frau Höh anmerkte, dass es gesetzlich und rechtlich gar keinen Aufnahmestopp geben kann und darf.
Der finale Themenschwerpunkt war Klima und ÖPNV. Die Moderatorinnen stellten hier als erstes die Frage, wie unsere Gäste zur Arbeit kommen. Erstaunlicherweise nutzen fast alle die öffentlichen Verkehrsmittel und Herr Roth fährt auch gerne mit dem Fahrrad. Er stellte dann sogar die Frage ins Publikum, wer von uns regelmäßig mit dem Fahrrad fährt. Die geringen Meldungen ebneten den Weg für die Diskussion um den Ausbau von Fahrradstraßen. Der letzte Punkt, mit dem sich unser Besuch befasste, war der Punkt autofreie Stadt. Das Gesamtbild war hier, dass das eher schwer ist und man auch nicht immer nur ein Verkehrsmittel schlecht reden dürfe. Jedoch sollte man sich der Problematik annehmen und sich bestmöglich Richtung autofreie Stadt bewegen.
Das Finale war die zweite Umfrage. Erfreulicherweise hatte sich einiges getan. Frau Schanbacher schien gut überzeugt zu haben, denn die SPD bekam am Ende 33 Stimmen von unseren Schüler*innen! Die vielen Stimmen bei ‘Keine Ahnung’ waren tatsächlich bis auf 3 Stimmen weg. Ein großartiges Ergebnis, das eindeutig zeigt, dass die Podiumsdiskussion am WG West ihren Sinn und Zweck erfüllt hat.
(Text: Jonathan Seibold / JG 1-4)