Der Scheffel-Preis wird jährlich von der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe an Abiturientinnen und Abiturienten mit herausragenden Leistungen im Fach Deutsch verliehen.
Lesen Sie Nestor Kellings Preisträgerrede – und überzeugen Sie sich selbst, warum dieser Preis mehr als verdient ist.
„Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schulleitung, liebe Eltern und Gäste,
ich freue mich heute hier zu stehen, diesen Preis entgegenzunehmen, aber viel mehr über die Möglichkeit ein paar Worte an Sie richten zu dürfen.
Zu Beginn danke ich dem Wg West, ich habe mich in den letzten 3 Jahren immer gut aufgehoben gefühlt insbesondere aufgrund der guten Lehrer*innen, die auf dem Weg zum Abitur ein Stück weit mit dafür gesorgt haben, dass dieser Weg gangbar blieb.
Besonders danke ich meinem Deutschlehrer Herr Kölblin. Sie haben stets ein Klima gefördert, in welchem der Unterricht eher wie ein Gedankenaustausch wirkte und in welchem man sich frei entfalten konnte, dafür bedanke ich mich bei Ihnen!Besonders deutlich wurde mir das in der Unterrichtseinheit zu Katharina Hackers Habenichtse. Dieses Werk, das als postmoderne Erzählung von Selbstentfremdung und innerem Verlust gelesen werden kann, ließ mich erkennen: Unser aller Gedanken ähneln sich oft mehr, als wir glauben. Was uns unterscheidet, sind nicht unsere Fragen – sondern die Bedingungen, unter denen wir sie stellen. Wie die Figuren des Romans, die sich in einem geordneten Leben dennoch verloren fühlen, wurde mir klar, wie sehr äußere Umstände unser Inneres formen.
Denn ich denke, dass viele diesen Preis ebenso verdient hätten wie ich: Diejenigen, die sich oft durchkämpfen mussten. Diejenigen, denen das Lernen nicht leicht fiel, nicht weil sie weniger klug wären, sondern weil die Umstände sich unterscheiden.
Ich denke an Mitschülerinnen und Mitschüler, die neben der Schule gearbeitet haben. An diejenigen, die mit Ängsten gelebt haben oder mit Sorgen, die in keinem Schulbuch standen. Ich denke an die Stillen, die vielleicht nie mit ihren Texten aufgefallen sind, aber mitgedacht haben. Und an die, die oft das Gefühl hatten, sie sprächen nicht die richtige Sprache – aber trotzdem nicht aufgehört haben, nach Worten zu suchen.
All jene sollen hier sichtbar werden – und gewürdigt. Denn Sprache ist nicht nur ein Werkzeug für gute Noten. Sprache ist auch eine Form des Überlebens. Wer sich Worte schafft, schafft sich einen Raum. Wer schreibt, obwohl niemand zuhört, glaubt an sich. Wer Literatur ernst nimmt, erkennt sich selbst – und oft auch den Schmerz anderer. Genau in unserem Deutschunterricht wurde der Raum geöffnet, in dem solche Gedanken wachsen konnten.
Ich erhalte heute diesen Preis – ja. Aber was mich trägt, ist nicht nur ein Text oder eine Klausur. Es sind all die Stimmen um mich herum. Und genau ihnen möchte ich diesen Preis widmen. Denn Literatur lebt nicht vom Einzelnen, sondern von dem, was zwischen uns entsteht – wenn wir zuhören, lesen, einander verstehen wollen.
Ich hoffe, dass diese Stimmen immer im Kanon weiterreden und nicht zu einer verstummen.
Vielen Dank.“